Zum ersten mal überhaupt in Deutschland wurden Wachsfiguren aus dem weltweit bekannten „Madame Tussaud“ Kabinett in London gezeigt. Rund 50 Rock- und Popstars der letzten 50 Jahre wurden im Jahre 2002 und 2003 im Heide-Park Soltau präsentiert. In einem 600qm großen Ausstellungsraum über der Schweizer Bobbahn konnte man den Stars hautnah sein. Ein riesengroßes Interesse war bei den Besuchern zu spüren. Aus diesem Grund wurde die Ausstellung nicht nur 2002 sondern auch noch 2003 gezeigt.
Mit Bürsten in den Hosentaschen, ein Staubwedel in der einen und einem Schminkkoffer in der anderen Hand geht Elke Eltgen den prominenten Dauergästen „an die Wäsche“. Elke Eltgen ist Friseurmeisterin und Visagistin. Und ihr guter Ruf hat ihr zu ihrer täglichen Arbeit im eigenen Salon in Steinbeck einen abendlichen Zusatzjob im Heide-Park eingebracht. Der fordert sie unter dem künstlerischen Aspekt voll heraus, sagt sie. Dreimal in der Woche kümmert sich die 41-Jährige um die lebensecht aussehenden, aber wächsernen Doppelgänger prominenter Pop- und Rocksstars. Sprichwörtlich wie Wachs sind Mick Jagger und Co. in ihren Händen. „Ich hab hier so meinen Spaß mit meinen Puppen“, meint die Friseurmeisterin mit leichtem Augenzwinkern und einem „Hallo“ in Richtung Robbie Williams.
Jeden Tag muss jedes Haar, jeder Wimpernschlag, jeder Schnürsenkel der Mitglieder der „Rock & Pop-Edition“ aus Madame Tussaud’s Wachsfigurenkabinett genau sitzen. Da darf kein Knopf fehlen, sich keine Laufmasche auf den Weg machen, kein Reißverschluss offen sein oder etwa eine Staubschicht die Sangesstars bedecken. Perfekt wie am ersten Tag müssen die Wachsfiguren täglich die Besucher begrüßen. Denn entgegen den Regeln, dass die Wachsfiguren nicht angefasst werden dürfen, sind diese dennoch begehrte „Berührungs-Objekte“ für die Besucher. Ist die Security gerade nicht in der Nähe kann sich der Wachs-Elvis schon mal auf Ohrringe aus Lakritzschnecken freuen, Bob Marley seine Kopfhörer los sein, oder Billy Idol raucht die Zigarette von Eric Clapton weiter. Eine Idee übrigens, auf die die Besucher schon mindestens 20 Mal verfielen. Und schließlich bietet sich nicht oft die Gelegenheit, Madonnas auffälligen BH näher zu untersuchen, Scary-Spice per Hand die Oberweite zu vermessen oder Freddy Mercury in die Hose zu schauen – und das obwohl all diese „Teile“ mit Fieberglas nur angedeutet modelliert wurden.
Elke Eltgen hat alle, aber besonders den lang- und rothaarigen „Simply Red“-Sänger Mick Hucknall, in ihr Herz geschlossen. Und zu fast jeder Figur kann sie inzwischen Geschichten erzählen. Zwischen März und Oktober drehte die Firseurmeisterin ihre abendlichen Runden durch die Ausstellung. Zuvor wurden die Puppen von Mitarbeitern von Tussauds direkt betreut. Diese kamen extra aus dem fernen Amsterdam angereist, um nach dem Rechten zu sehen. Als das zu aufwändig wurde, kam die Stunde der Steinbeckerin. Innerhalb einer Woche, täglich zwölf Stunden lang, brachten ihr Visagist, Stylist und Gießmeister, die die Amsterdamer Ausstellung betreuen, das Wichtigste rund um die Puppen aus Wachs und Fieberglas bei – bis hin zum Auseinandermontieren. Und dank ihres fotografischen Gedächtnisses fiel ihr die Arbeit von Anfang an leicht. „Das hab ich mir so eingeprägt. Das kann ich nicht vergessen.“ Für den Fall der Fälle stellte ihr Tussauds aber auch eine dicke Mappe mit Fotos der jeweiligen Figuren und ihrer Vorbilder aus Fleisch und Blut zur Verfügung. Und so ist Elke Eltgen nun Visagistin, Stylistin und Gießmeisterin in einer Person.
Das Wachsabbild von Kylie Minouge ist das begehrteste Objekt der Ausstellung. „Sie sieht jeden Abend unmöglich aus, wird ständig masakriert.“ Da werden das Kleid hoch- und die Träger runtergeschoben oder die Frisur gelockert. Wie oft Ihr die Friseurin bereits eine neue/alte Haartracht „verpasst“ hat, weiß sie schon gar nicht mehr. Als die „Sängerin“ eines Tages den Arm verlor, war die Technikerin und Gießmeisterin in Elke Eltgen gefordert. „Es geht ganz schnell, dass das Wachs in Mitleidenschaft gezogen wird“, berichtet die Steinbeckerin. Da versuchen die Besucher, die Puppen zu bewegen, lehnen sich an – und schon ist das Malheur passiert. „Das Wachs ist wie das von Kerzen sehr empfindlich“, beschreibt sie ihre tägliche Arbeit. Mit einem Ring kann den Stars schon mal dicke Narben verpasst werden. Dann holt die Friseurin ihren Wachsstift heraus und gleicht die Schramme aus.
Jedoch geht die Beseitigung von „Macken“ oft nicht ganz so schnell. Wenn die Pailetten des Kleides von Baby-Spice wieder Laufmaschen in ihre Strumpfhose reißen, kann das Wechseln dieser schon einmal eineinhalb Stunden in Anspruch nehmen. Denn die ebenfalls mit Pailetten besetzten Stiefel lassen sich nur unter großen Mühen über die starren Füße aus Fieberglas ziehen.
Noch aufwändiger wird es, wenn Waschtag bei den Rock- und Popstars angesagt ist. Cliff Richard, Elton John, Elvis Presley und all die anderen müssen sich dann „frei machen“. Mit milder Waschlotion und Wasser rückt Elke Eltgen ihnen zu Leibe. Da werden die Haare, die alle echt sind, gewaschen, gefönt und wieder in Form gebracht, die Sachen gereinigt oder von ihr persönlich gewaschen, jede Figur entsprechend geschminkt. „Alles muss immer tiptop aussehen“, so die Steinbeckerin zu den Ansprüchen des Konzerns Madame Tussauds. Und so hat sie immer noch genügend Vorrat an falschen Wimpern, Wachshänden oder Ketten.
Nun gehen die Stars erst mal wieder auf Weltreise. Doch bevor sie diese Tour antreten können, mussten alle Figuren aufwendig restauriert werden, um auch in Zukunft in Glanz und Glamour zu erstrahlen. Insbesondere Michael Jackson bestand nach den anstrengenden Monaten im Heide-Park auf eine sanfte Korrektur seiner Nase. Auch Kylie Minogue’s Rock musste nach dem vielen Rumgezupfe erneuert werden. Nun warten alle eingehüllt in Folie und sicher verpackt auf die neue Tour, die allerdings erst mal nicht im Heide-Park sein wird. Aber über eine „neue“ Ausstellung sei man im Heide-Park nicht abgeneigt.